Am letzten Wochenende ging es turbulent bei mir zu, denn ich hatte gleich zwei Lesungen.   Die erste Veranstaltung fand im Rahmen eines italienischen Abends in der „Schatulle“ in Laufersweiler statt. Christel, die Besitzerin, servierte ein  leckeres dreigängiges Menü, bestehend aus Antipastiplatte, Saltimbocca und Tiramisu nebst Limoncello als Aperitif, in den Pausen zwischen den Gängen sollte ich lesen, am Ende der Veranstaltung Bücher signieren.   Als ich das Restaurant betrat, war ich etwas überrascht. Ich hatte nicht erwartet, dass mich lauter Teenies empfangen würden, aber auch nicht, dass sich meine Zuhörerschaft ausnahmslos zwischen 50 und 75 Jahren bewegte. Ich hatte bisher nur vor Menschen gelesen, die ungefähr im gleichen Alter wie ich waren, maximal so alt wie meine Eltern, und ich wurde ziemlich nervös beim Gedanken, wie denn mein Roman bei einer älteren Generation ankommen würde. Mein Opa jedenfalls hat „Aussicht auf Sternschnuppen“ zwar stolz bei sich im Regal stehen, aber lesen wird er es mit Sicherheit nicht.   Mein Publikum reagierte zunächst auch recht verhalten. Zuhörer, die erstickte Laute von sich gaben und denen die Tränen die Wangen herunterliefen wie bei meiner letzten Lesung, zu der umsonst Weiß- und Rotwein gereicht wurde, gab es zumindest nicht und leises Gelächter ertönte nur aus der Ecke, in der mein Vater, der seine Tochter auch einmal „live“ erleben wollte, und Bekannte von ihm saßen.   Nach einer kurzen Pause lockerte die Stimmung etwas auf, leider jedoch auch im Gastraum nebenan, der sich nahtlos an den kleinen Saal, indem ich las, anschloss, sowie in der Küche, wo gerade die Spülmaschine eingeräumt wurde. Außerdem schien sich die Fraktion, die direkt vor mir saß, zu langweilen und beschäftigte sich lieber mit dem Hund, den eine Zuhörerin mitgebracht hatte. Hätten Schüler vor mir gesessen, hätte ich sie mit Sicherheit ermahnt. Wie um Himmels willen reagierte man in einer solchen Situation aber bei einer Lesung? Ich entschloss mich zu einer zweiten Taktik, die man als Lehrer neben dem Ermahnen gerne anwendet: Ich machte so lange eine Pause, bis alle ruhig waren. Funktionierte super, aber sobald ich weiterlas, flammten auch die Gespräche über den Hund wieder auf. Ich sah mich also in der schwierigen Situation, dass ich mich auf der einen Seite auf mein Buch und die zuhörenden Zuhörer konzentrieren, auf der anderen Seite aber die nicht-zuhörenden Zuhörer, die Gäste im Schankraum und das Küchenpersonal ignorieren musste. Klingt kompliziert, war es auch. Und so entschloss ich mich zumindest eine Störquelle zu beseitigen, aufzustehen und die Tür zur Küche zuzumachen. Viel besser! Und auch der Hund schien langsam nicht mehr so interessant zu sein.   Der Rest der Lesung wurde dann aber noch sehr sehr nett und am Ende kamen fast alle Zuhörer zu mir und kauften mein Buch. (Die Dame mit Hund und ihre Begleitungen waren jedoch nicht darunter.) Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet. Und alle sagten mir, der Abend hätte ihnen sehr gut gefallen, sie hätten viel geschmunzelt. Selbst drei Männer zählte ich zu meinen Kunden und zwei von ihnen wollten sogar, dass ich mein Buch für ihre Frau UND sie signierte. Einer von ihnen, ein attraktiver Mitsiebziger mit einem leicht kölschen Dialekt, bescherte mir dann das Highlight des Abends. Es sagte nämlich: „Junge Frau, Sie haben so einen erfrischenden Schreibstil. Und Sie benutzen Wörter, die hätten wir uns in unserer Jugend nie zu sagen trauen. ´Penis´ zum Beispiel. Aber Sie, Sie kommen daher und sagen frank und frei ´Penis´. Einfach so. Ich find dat toll.“