Mein Cornwall-Tagebuch:
Ankunft in London Stansted: Da ich zwei Jahre zuvor schon für die Recherche von „Zeit für Eisblumen“ links fahren musste, war ich einigermaßen gefasst. Um auf Nummer sicher zu gehen, hängte ich mich trotzdem an das nächstbeste Gefährt, um das Flughafengelände ohne Unfall zu verlassen. Es war ein Bus – der bereits nach hundert Meter an einer Bushaltestelle hielt.
Weiter ging es nach Stonehenge – einem Ort, dessen Magie sich mir inmitten Touristenhorden und direkt neben einer Bundesstraße gelegen mir leider nicht so recht offenbaren wollte
Abends übernachteten meine Mutter, die mich auf der Reise begleitet hat, und ich in Torquay – einem verschlafenes Seebad, das Rudyard Kipling, der Autor des Dschungelbuchs, nur allzu gerne einmal aufrütteln wollte, indem er nackt, nur mit seiner Brille bekleidet, durch die Straßen rannte.
Im Hotel Viktoria wurde Bridge gespielt und in dem großen Ballsaal getanzt. Mein Mutter und ich haben durch unseren Besuch im Hotel den Altersdurchschnitt erheblich gedrückt.
Tag 2: 20.3.2015
Leider stellt das Navi meines Handys nach den ersten Metern jegliche verbale Kommunikation mit mir ein, weswegen ich mich angesichts des Minidisplays auf dem Weg zum Dartmoor National Park erst einmal verfahre. Irgendwann kamen wir doch an und wurden bald von den ersten wilden Dartmoor Ponys begrüßt. Ich wollte ein inniges Foto von mir und einem von ihnen machen. Leider hat das einzige Pony, das nicht vor mir weggelaufen ist, mir bei meinem Näherkommen die Zähne gezeigt hat – weshalb ich mich beschämenderweise nicht näher herangetraut habe.
Im Bovey Castle, einem sehr traditionellen, sündhaft teuren Hotel, das man über eine lange Kiesauffahrt erreicht, werden wir von Pagen in Knickerbockern empfangen wird. Dort kann man Golf spielen, Bogenschießen, Tontaubenschießen und in der eigenen Falknerei wilde Vögel besichtigen.
Anschließend fahren wir nach Postbridge, einem kleinen Dorf, und wandern zur Clapperbridge, einer Brücke, die ganz aus großen Natursteinplatten besteht und die einer der Haupttouristen-Hotspots des Dartmoors ist. Erfreulicherweise verlaufen meine Mutter und ich uns auf dem ganzen Weg kein einziges Mal.
Beim Weiterfahren jedoch stellt das Navi nun auch die visuelle Kommunikation ein. Ohne Karte (braucht man in der heutigen Zeit doch nicht!) bin ich dann leider erst einmal an das komplett falsche Ende des Dartmoor National Parks gefahren. Als ich einem netten älteren Ehepaar gegenüber die Vermutung äußerte, dass mein Handy eventuell kaputt sei, meinte der Mann lachend: „No, that´s Dartmoor.“
Meine Hoffnungen, jemals wieder Netz zu bekommen, schwinden und ich kaufe mir an einer Tankstelle doch eine Karte. Zum Glück. Da ganz Cornwall ein einziges Funkloch ist, würde ich ansonsten immer noch ziellos irgendwo rumkurven. Kurz vor unserem Hotel hilft leider auch die Karte nicht mehr weiter, da Hellandsbridge so winzig ist, dass es nicht darauf zu finden ist. Aber ein netter Töpfer in Wadebridge hilft uns weiter – und gibt uns gleich noch einen Pub-Tipp für den Abend.
Die Tredethy Hall entschädigt meine Mutter und mich für die mühselige Anreise. Das Hotel und der wildromantische Park sind wunderschön. Im St. Mabyns Inn, der Restaurant-Empfehlung des Töpfers, essen wir ausgezeichnet. Und da auch das Essen in Torquay wirklich gut war, lösen sich unsere Vorbehalte hinsichtlich der englischen Küche langsam in Wohlgefallen auf. Lediglich beim Frühstück sind die Engländer etwas komisch. Nach Blutwurst oder gekochtem Fisch hat es mir morgens zumindest noch nie gelüstet.
Tag 3: 21.3.2015
In Looe, einem entzückenden Fischerdörfchen, gibt es im preisgekrönten Pasty Shop die besten Pasteten gibt, die ich je gegessen habe. Das findet auch eine Möwe, die sich auf die Pastete meiner Mutter stürzt und sie ihr aus der Hand reißt.
Leider kommt auf diesem Bild nicht richtig heraus, WIE eng die Straßen im Dartmoor sind. Jede Einbahnstraße in Deutschland ist breiter. Tote Tiere, abgerissene Seitenspiegel und zu meinem Entsetzen auch eine halbe Stoßstange säumen unseren Weg. Auf dem Weg zum Lizard Point erfährt die Enge der Straßen noch eine deutliche Steigerung. Ein Mensch mit Einkaufskorb in der Hand würde defintiv nicht mehr zwischen unser Mietauto und die allgegenwärtigen Steinmauern passen. Zu meinem Lieblingssatz „Oh Gott, ist das eng hier!“ gesellt sich ein zweiter: „Auf gar keinen Fall kann ich es sein, der hier zurücksetzt, wenn uns ein anderes Fahrzeug entgegenkommt!“. Diese Maxime bin ich auch die ganze Fahrt treu geblieben und die Einheimischen haben sich meiner sturen Weigerung letztendlich auch immer gefügt. Nur ein Tourist zeigte sich genauso beharrlich wie ich.
Aber auch der hat letztendlich nachgegeben: Ich war ja im Urlaub und hatte viel viel Zeit.
Sonne, steile Klippen, tosende Brandung erwarten uns dann am Lizard Point, die Welt ist wieder in Ordnung.
Am späten Nachmittag kommen wir in Falmouth an und machen erst einmal einen langen Spaziergang. Die Engländer scheinen übrigens sehr kälteunempfindlich zu sein, der Strand ist nämlich von Bikini- und Badehosen-tragenden Menschen besucht, während meine Mutter und ich mit Jeans, Pulli und Halstuch herumrennen. Lediglich zu einem Bad im Meer ziehen fast alle einen Neoprenanzug an. Außerdem wimmelt es hier nur so von Hunden. Ein Wurfstab, mit dem man einen Tennisball kilometerweit werfen kann, scheint hier zur Standartausrüstung zu gehören.
Tag 4: 22.03.2015
Mousehole ist ein süßer kleiner Fischerort mit vielen netten Geschäften – und unglaublich engen Straßen. Ja, ich weiß, das ist nichts Neues. Aber hier sind die Straßen ganz besonders eng, von daher finde ich, dass es durchaus einer Erwähnung wert ist. Dort nehmen wir das erste Mal Cream Tea zu uns – die Nationalspeise, an der man in Cornwall einfach nicht vorbeikommt. Die Scones mit Erdbeermarmelade und der clotted cream schmecken auch richtig lecker. Allerdings bin ich – der ich wirklich ein guter Esser bin – schon nach einem der Teigkugel so satt, dass ich das zweite nur mühsam herunterbringe.
Pappsatt fahren wir weiter zu den Merry Maidens – Nachdem ich Steine im Ausmaß von Stonehenge erwartet habe (warum auch immer) bin ich von der Größe dieses Steinkreises, der ganz unspektakulär auf einer Weide liegt, etwas enttäuscht. Angeblich sind die neunzehn Steine versteinerte Jungfrauen, die verzaubert wurden, weil sie es sich wagten, am Heiligen Sonntag zu tanzen. Die beiden Dudelsackspieler, die sie dazu verführt haben, liegen ein paar Meter abseits und sind sogar noch kleiner.
Das Lamorna Wink – einer der Schauplätze im Roman gibt es wirklich. Allerdings kann man dort nicht übernachten. Der Pub trägt den Namen, weil er früher einer der Hauptumschlagplätze für Schmuggel in der Region war. Interessenten teilte man durch ein Augenzwinkern („Wink“) mit, dass geschmuggelte Ware eingetroffen sei.
Die Straße, die nach Lamorna Cove herunterführt, einer Ansammlung von Häusern, die sich um einen Naturhafen gruppiert, ist so eng, dass ich mich weigere dort hinunterzufahren und zum Entsetzen meiner Mutter, die meint, sie wäre in dem Urlaub jetzt wirklich genug gewandert, bestehe ich darauf, dass wir auch diese Strecke zu Fuß zurücklegen.
In Penzance übernachten wir in einer kleinen Pension namens Con Armor und werden von Simon, dem Besitzer mit den Worten „Our Rooms are cosy, that means very small“ begrüßt. Außerdem erklärt er uns, dass er ständig vergisst, das kaputte Fenster zu reparieren, doch Simon, ein Mann der Tat, weiß sich zu helfen. Er nimmt ein Holzbrett aus dem Regal und demonstriert uns, wie sich das Fenster trotzdem offenhalten lässt – und das gleich in drei Varianten: „Small, medium, large.“ Je nachdem, wie weit man das Brett einklemmt. Simon beherrscht außerdem zwölf verschiedene Arten von Eiern und als er das Haus voller Deutsche hatte, war er so ambitioniert, dass er die Frühstückskarte mit Hilfe des Google-Translators übersetzt hat. Ein Gast versuchte daraufhin, die Fehler zu korrigieren und kritzelte das Blatt so voll, dass Simon am Ende gar nicht mehr durchgeblickt hat. Ein anderer strich einfach alles durch und schrieb darauf: „That doesn´t make any sense.“ Simon hat es mit Humor genommen. Lediglich in einer Hinsicht vesteht er keinen Spaß: Einmal hat ein Gast ihm eine schlechte Bewertung gegeben und darin sein Frühstück beleidigt.
Im The Turks Head esse ich den BESTEN Minzed Lamb Burger meines Lebens. Und ich bin endgültig überzeugt: Die englische Küche ist der Wahnsinn.
Vielleicht bin ich müde, um dem Künstlerdörfchen St. Ives etwas abzugewinnen, aber den Ort mit dem angeblich schönsten Strand in Cornwall (Schauplatz mehrerer Rosamunde-Pilcher-Verfilmungen) fand ich zu touristisch und überlaufen.
Im Surfer-Hotspot Newquay hatte ich eine unheimliche tierische Begegnung: Die Möwe hat mich im Fistral Beach Hotel and Spa ungelogen so lange angestarrt, bis ich irgendwann den Rollladen heruntergelassen habe. Unheimlich! In mir wuchs der Verdacht, dass das das gleiche Untier war, mit dem wir schon in Looe eine unliebsame Begegnung hatten.
Tag 5: 23.03.15
Von Tintagel Castle, dem angeblichen Geburtsort von König Arthur, ist nicht mehr viel vorhanden. Aber der Ausblick von der Festungsanlage ist beeindruckend.
In Bath, einer wunderschöne Stadt mit vielen süßen Geschäften, einer Thermenanlage, die auf die Alten Römer zurückzuführen ist, und einer Kathedrale erwartet er uns dann doch noch: Der Regen. Bis auf diesen letzten Tag hatten wir nämlich durchgehend strahlenden Sonnenschein.
Die armen Engländer! Ich finde, in Bezug auf das Wetter und das Essen werden sie total verkannt. Im Vergleich zu allen anderen Orten, die wir in Cornwall besucht haben, ist in Bath abends übrigens noch richtig viel los: Straßenmusiker, Pantomime, ein alter Mann, der Tauben mit einer Paste anlockte und sich mit ihnen auf Kopf und Schultern fotografieren lässt.
Tag 6: 24.3.15
Mit ein paar neuen Schuhen, die ich mir in Bath gekauft habe und einem Handy und einem Notizbuch voller Eindrücke geht es zurück nach Hause. Am Flughafen machen meine Mutter und ich dann noch das einzige Bild, auf dem wir beide gemeinsam abgebildet sind.
Bildquellen:
©Katrin Koppold; Shutterstock